„Braucht Demokratie Religion?“ – Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Reinbold

Prof. Dr. Wolfgang Reinbold

Prof. Dr. Wolfgang Reinbold, Foto: EKN (Evangelischer Kirchenfunk Niedersachsen-Bremen)

Am Dienstag, 18. Juni 2024, 16 Uhr, hält Prof. Dr. Wolfgang Reinbold den Vortrag „Braucht Demokratie Religion?“

Zum Inhalt: Hartmut Rosas These „Demokratie braucht Religion“ ist auf breite Zustimmung gestoßen, insbesondere in den Kirchen. Zugleich erreichen uns immer mehr irritierende Nachrichten über demokratiefeindliche und gewaltlegitimierende Wirkungen von Religion. Was ist an der These dran? Braucht Demokratie Religion? Und, wenn ja, welche?

Zum Vortragenden: Prof. Dr. Wolfgang Reinbold ist Beauftragter für Interreligiösen Dialog in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und Vorsitzender des Hauses der Religionen – Zentrum für interreligiöse und interkulturelle Bildung in Hannover. Zugleich ist er Professor für Neues Testament an der Georg-August-Universität Göttingen.

Die Cohn-Scheune als Ort des Erinnerns von Kilian Burmester

Dieser Beitrag ist nach dem Besuch eines Geschichtsleistungskurs der Eichenschule Scheeßel am 8. Februar 2024 in der Cohn-Scheune entstanden. Die Aufgabe, die der Geschichtslehrer Stephan Anders den Schülerinnen und Schüler zum Thema „Erinnerungskultur“ stellte, bestand darin zu beurteilen, inwieweit sie die Cohn Scheune für einen geeigneten Erinnerungsort halten.

Die Cohn-Scheune als Ort des Erinnerns

Welche Bedeutung hat die Cohn-Scheune?

Die Cohn-Scheune ist eine kleine Gedenkstätte jüdischen Lebens und besonders der Verfolgung der jüdischen Familie Cohn in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Sie steht in der Kreisstadt Rotenburg Wümme und erinnert dort an die ehemalige Schneiderei der Familie Cohn und an das unfassbare Leid, welches diese Familie durch den Antisemitismus und die Rassenideologie der NSDAP erleben musste. Auf zwei Etagen kann man sich zum einen durch die Geschichte jüdischen Lebens in der Region sowie das Judentum an sich informieren. Im unteren Teil der Gedenkstätte findet sich der Großteil des Museums. Dort beginnt die Ausstellung mit der Geschichte jüdischen Lebens in der Region bis hinüber zu den Vorfahren der Familie Cohn und der Gründung des Textilgeschäfts mit der Schneiderei. Des Weiteren lässt sich Videomaterial von Hildegard Cohn finden, welches ihre grausamen Erlebnisse in der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 erzählt. Im oberen Teil der Gedenkstätte findet sich eine Ausstellung vieler wichtiger Objekte des jüdischen Glaubens. Von einer originalen Tora bis hin zur Gebetsraumeinrichtung gibt es viel zu sehen.

Bewertet die Wirksamkeit, die die Cohn-Scheune im Zusammenhang mit dem Erinnern an den Antisemitismus im Nationalsozialismus, entfaltet!

Durch diese Art der Gedenkstätte lässt sich die Cohn-Scheune in das von Jan und Aleida Assmann definierte kulturelle Gedächtnis einordnen. Es handelt sich bei ihr um eine Gedenkstätte, welche Geschehenes durch Texte, Bilder und Abbildungen von Originalquellen festhält und an spätere Generationen weitergibt. Ihr Zweck ist das Erinnern an das jüdische Leben in dieser Region am besonderen Beispiel der Familie Cohn, die durch den Rassenwahn und den Antisemitismus der Nationalsozialisten „gepiesackt“ (Hildegard Cohn), tyrannisiert, in den wirtschaftlichen Ruin getrieben, nahezu komplett aus der Gesellschaft ausgeschlossen, aus ihrem Haus in eine kleine Wohnung vertrieben, durch Zwangsarbeit in Berlin fast bis in den Tod zur Arbeit gezwungen und schlussendlich in einem Konzentrationslager auf brutalste Weise ermordet wurde. All diese Dinge stellt die Cohn-Scheune aus und sorgt so dafür, dass dieses unfassbare Leid einer Bevölkerungsgruppe keinesfalls in Vergessenheit geraten kann.

Besonders eindrücklich geschieht dies durch die Videoaufnahmen von Hildegard Cohn, in denen sie über ihr Leid in der NS-Zeit spricht. So berichtet sie sehr eindrucksvoll davon, wie während der Reichspogromnacht Männer der SA in das Haus stürmten, alles verwüsteten und sie suchten. Sie erzählt, wie sie sich unter Todesangst in einer Kiste auf dem Dachboden versteckte und dort bis zum nächsten Tag ausharren musste, um sicherzugehen, dass sich die Gefahr gelegt hat und sie fürs erste wieder in „Sicherheit“ ist.

Durch diese Videobotschaften werden das Leid und die ganzen „trockenen“ Fakten, die man erfährt, zumindest für mich emotional deutlich greifbarer. Auf einmal bekommen die Namen und Zahlen Gesichter, es wird, obwohl man es eigentlich immer weiß, plötzlich deutlich, dass hinter alle diesem Menschenleben stecken. Leben, die zerstört und ihrer Würde beraubt wurden.

Durch die Abbildungen von Originalquellen wird besonders das Leben der Nachkommen im Exil verdeutlicht. So wird es für den Betrachter deutlich greifbarer, vor welche Herausforderungen die Auswanderer im neuen Heimatland Kolumbien gestellt wurden. Sie standen in einem fremden Land, von dem sie weder die Kultur noch die Sprache kannten, geschweige denn eine Bezugsperson hatten.

Der Besuch in der Cohn-Scheune bleibt definitiv auch im Alltagsstress noch einige Tage präsent und beschäftigt einen, auch wenn man diesen Ort verlässt. Aber ist dies nicht genau das, was so eine Gedenkstätte erreichen soll? Die Menschen dazu anzuregen, sich bewusst zu erinnern, sich mit der Vergangenheit, so schrecklich sie auch sein mag, auseinanderzusetzen und all diese Taten eben nicht zu vergessen und nicht tot zu schweigen, sondern sie zu erzählen, sie zu verurteilen und so die Menschen zu würdigen, die in diesen Zeiten so viel unbeschreibliches Leid erfahren mussten.

Ich finde, dass die Cohn-Scheune zumindest bei mir genau diese Aspekte angesprochen hat und mich nochmal dazu angeregt hat, über diese Punkte nachzudenken und für mich selbst auch einen Umgang damit zu finden. So wird dieser Teil des kulturellen Gedächtnisses ein kleiner Teil meines kommunikativen Gedächtnisses, in dem ich über das Gesehene und Erlebte mit den Menschen in meinem Alltag spreche und meine Erfahrungen weitergebe. So kann der Besuch eines Einzelnen dafür sorgen, dass sich ganz viele Menschen mit diesem Thema auseinandersetzten und eventuell selbst anfangen, Ahnenforschung zu betreiben und sich mit einer Zeit, welche vor fast 80 Jahren am liebsten direkt in Vergessenheit geraten wäre, zu befassen.