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Wanderfahrten nach Worpswede in der Schulzeit des Rotenburgers Siegmund Cohn (1878-1959) und neue Erkenntnisse über sein Leben

Ein Vortrag von Inge Hansen-Schaberg und Wolfgang Dörfler am 6. März 2024, 19:00 Uhr

Der älteste Bruder von Hermann Cohn, dem letzten Inhaber des Rotenburger Textilgeschäfts, hat einen bemerkenswerten Lebenslauf aufzuweisen. Siegmund Cohn, 1878 geboren, war 1898 wahrscheinlich der erste jüdische Abiturient aus Rotenburg. Er studierte in Hannover, wurde Diplom-Ingenieur, lebte und arbeitete ab 1905 in Berlin und trat in die jüdische Gemeinde ein.

Abiturjahrgang des Gymnasiums zu Bremen 1898

Abiturjahrgang des Gymnasiums zu Bremen 1898

Die Biographie Siegmund Cohns konnte anhand der Unterlagen in den von ihm beantragten Entschädigungsverfahren recherchiert werden, ebenso der gewaltsame Abbruch seines bürgerlichen Lebens in der NS-Zeit und das knappe Überleben dank seiner nichtjüdischen Ehefrau. Als er 1959 starb, war er in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin das Mitglied mit der längsten Mitgliedsdauer.

Chronik des Naturwissenschaftlich Technischen Vereins, Jüdisches Museum Berlin

Chronik des Naturwissenschaftlich Technischen Vereins, Jüdisches Museum Berlin

 

Der direkte Anlass, biographische Informationen über Siegmund Cohn zu gewinnen, ist einem Glücksfall zu verdanken. In einem Nachlass wurden zwei handgeschriebene Chroniken des von Schülern des (Alten) Gymnasiums zu Bremen gegründeten Naturwissenschaftlich Technischen Vereins gefunden und in den Zusammenhang mit der Cohn-Scheune gebracht. Der Verfasser eines großen Teils der Texte war Siegmund Cohn. Von ihm stammen auch die farbigen Zeichnungen, die ein besonderes Talent dokumentieren.

Inge Hansen Schaberg und Wolfgang Dörfler beleuchten in ihrem Vortrag verschiedene Aspekte des Lebens dieses Mannes und der in den Büchern niedergelegten Vereinsaktivitäten. Dabei kommen Themen wie der Antisemitismus in der Zeit vor der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, die Freizeitaktivitäten im Umland Bremens mit dem Beginn des Worpswede-Tourismus, die Entrechtung, Verfolgung, Beraubung durch Zwangsabgaben und schließlich die Zwangsarbeit in der NS-Zeit sowie die Probleme in der Nachkriegszeit zur Sprache.