Vortrag: Es geht um den Bestand unserer Demokratie

Der Journalist und Autor Hermann Vinke spricht in der Cohn Scheune in Rotenburg über Rechtsextremismus und Antisemitismus in Deutschland

Montag, 29. April 2024, 19 Uhr

Der Journalist und Autor Hermann Vinke spricht am Montag, 29. April 2024, um 19 Uhr in der Cohn Scheune über Rechtsextremismus und Antisemitismus. Vinke bereist seit etwa zwei Jahren mit einer Gruppe der bundesweiten Organisation Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V. Orte und Städte in Ostmitteldeutschland, um Initiativen und Akteure, die sich dem Vormarsch der extremen Rechten in den Weg stellen, zu unterstützen.

Foto Hermann Vinke

Hermann Vinke, Foto: privat

Als politischer Journalist hat er die Nachkriegsentwicklung seit den 1960er Jahren wahrgenommen und miterlebt; er erklärt, die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik Deutschland stünde im Wahljahr 2024 vor ihrer bislang größten Herausforderung. Bei der Europawahl am 9. Juni und bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen im September entscheide sich, ob der Zulauf zur AfD weiter andauere und diese in weiten Teilen rechtsextreme Partei womöglich im Freistaat Thüringen oder in einem anderen Bundesland den Ministerpräsidenten stellen werde.

Hermann Vinke hat mehrere Bücher über den Widerstand im Dritten Reich geschrieben, darunter die Biografien „Das kurze Leben der Sophie Scholl“ und „Cato Bontjes van Beek – Ich habe nicht um mein Leben gebettelt“.

Objekte erzählen Geschichte(n): Warum Museumssammlungen aktuell bleiben (müssen)

Ein Vortrag von Dr. Manfred Wichmann
Am Sonntag, 7. April 2024, um 14:30 Uhr in der Cohn-Scheune

Museen gehören zur nationalen Kulturlandschaft und leisten einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Gedächtnis einer Gesellschaft. Eine Besonderheit betrifft die zeithistorischen Museen, die sich mit der Lebensepoche der Zeitgenossen beschäftigen: sie müssen sich im Sinne einer „histoire totale“ mit allen Gesichtspunkten unserer modernen Welt beschäftigen, müssen also übergreifend alle Bereiche der Politik-, Sozial-, Wirtschafts-, Alltags-, Kulturgeschichte beleuchten. Hierdurch unterscheiden sich zeithistorische Museen von Kunst- oder Spezialmuseen.
Alle Dinge unserer Gegenwart kommen daher als museale „Relikte“ potenziell in Frage.

Magazinschrank mit diversen Sammlungsobjekten

Magazinschrank, Foto: Axel Thünker

Diverse Sammlungsobjekte wie Schreibmaschine und Wählscheiben-Telefone

Diverse Sammlungsobjekte, Foto: Axel Thünker

In einer globalisierten Welt ist die Fülle an Gegenständen unseres Alltagslebens unüberschaubar. Daher müssen Museen auswählen und bewerten, und diese Auswahl bildet das materielle Gedächtnis einer Nation. Im Vergleich zu klassischen historischen Quellen, den Texten und Schriften, erfordert materielles Kulturgut eine eigene Form der Bewahrung, Interpretation und Erforschung. Der Gegenwartsdimension kommt beim Aufbau einer zeithistorischen Sammlung eine besondere Bedeutung zu. In der Rückschau lässt sich deutlich erkennen, welche Themen und Ereignisse relevant waren und sind. Doch wie sammelt man die Gegenwart? Wie gehen Museen mit Globalisierung und Digitalisierung um? Diese Grundfragen beleuchtet Manfred Wichmann anhand aktueller Beispiele aus dem Alltag eines Sammlungsdirektors am Haus der Geschichte.

 

Vita Dr. Manfred Wichmann, Sammlungsdirektor Haus der Geschichte

Jahrgang 1971, Historiker und Kurator, Studium der Geschichte, Politik, Publizistik und Kommunikationswissenschaften in Göttingen, Rom und Berlin. Magister-Abschluss im Jahr 2002 an der Humboldt-Universität Berlin, Promotion 2013 an der Freien Universität Berlin.

Dr. Manfred Wichmann

Dr. Manfred Wichmann, Foto: Axel Thünker

Ab 2002 als Archivar und Stellv. Archivleiter beim Jüdischen Museum Berlin vor allem verantwortlich für Familiensammlungen und Archivpädagogik sowie als Kurator für Ausstellungen zur deutsch-jüdischen Kultur- und Zeitgeschichte tätig. Seit 2009 zusätzlich Projektleiter für die Dauerausstellung „Jüdisches Leben in Rotenburg“ in der neu errichteten Kulturwerkstatt Cohn-Scheune und Herausgeber des Begleitbuches. Im Jahr 2012 übernimmt er als Sammlungsleiter bei der Stiftung Berliner Mauer den Aufbau der Abteilung und betreut sämtliche Originalbestände. Neben mehreren Publikationen zu Sammlungsobjekten entstehen daraus zahlreiche digitale Angebote und Ausstellungen zur deutschen Teilungsgeschichte. Seit Mai 2022 leitet er als Sammlungsdirektor der Stiftung Haus der Geschichte die größte zeithistorische Sammlung in Deutschland. Forschungsschwerpunkte sind die europäische Ideen- und Rezeptionsgeschichte des Faschismus, deutsch-jüdisches Alltags- und Kulturleben sowie die deutsche Zeitgeschichte.

Aktuelle Publikation: „Flucht und Ankommen. 70 Objekte und ihre Geschichten aus dem Notaufnahmelager Marienfelde“, Berlin 2023

 

Wanderfahrten nach Worpswede in der Schulzeit des Rotenburgers Siegmund Cohn (1878-1959) und neue Erkenntnisse über sein Leben

Ein Vortrag von Inge Hansen-Schaberg und Wolfgang Dörfler am 6. März 2024, 19:00 Uhr

Der älteste Bruder von Hermann Cohn, dem letzten Inhaber des Rotenburger Textilgeschäfts, hat einen bemerkenswerten Lebenslauf aufzuweisen. Siegmund Cohn, 1878 geboren, war 1898 wahrscheinlich der erste jüdische Abiturient aus Rotenburg. Er studierte in Hannover, wurde Diplom-Ingenieur, lebte und arbeitete ab 1905 in Berlin und trat in die jüdische Gemeinde ein.

Abiturjahrgang des Gymnasiums zu Bremen 1898

Abiturjahrgang des Gymnasiums zu Bremen 1898

Die Biographie Siegmund Cohns konnte anhand der Unterlagen in den von ihm beantragten Entschädigungsverfahren recherchiert werden, ebenso der gewaltsame Abbruch seines bürgerlichen Lebens in der NS-Zeit und das knappe Überleben dank seiner nichtjüdischen Ehefrau. Als er 1959 starb, war er in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin das Mitglied mit der längsten Mitgliedsdauer.

Chronik des Naturwissenschaftlich Technischen Vereins, Jüdisches Museum Berlin

Chronik des Naturwissenschaftlich Technischen Vereins, Jüdisches Museum Berlin

 

Der direkte Anlass, biographische Informationen über Siegmund Cohn zu gewinnen, ist einem Glücksfall zu verdanken. In einem Nachlass wurden zwei handgeschriebene Chroniken des von Schülern des (Alten) Gymnasiums zu Bremen gegründeten Naturwissenschaftlich Technischen Vereins gefunden und in den Zusammenhang mit der Cohn-Scheune gebracht. Der Verfasser eines großen Teils der Texte war Siegmund Cohn. Von ihm stammen auch die farbigen Zeichnungen, die ein besonderes Talent dokumentieren.

Inge Hansen Schaberg und Wolfgang Dörfler beleuchten in ihrem Vortrag verschiedene Aspekte des Lebens dieses Mannes und der in den Büchern niedergelegten Vereinsaktivitäten. Dabei kommen Themen wie der Antisemitismus in der Zeit vor der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, die Freizeitaktivitäten im Umland Bremens mit dem Beginn des Worpswede-Tourismus, die Entrechtung, Verfolgung, Beraubung durch Zwangsabgaben und schließlich die Zwangsarbeit in der NS-Zeit sowie die Probleme in der Nachkriegszeit zur Sprache.